Freitag, 17. März 2017

Die dunkle Macht der Erinnerung

Das Buch der Spiegel


von E. O. Chirovici
erschienen am: 27.02.2017
Goldmann-Verlag, 20,-€


Für Fans von:
 „Die geheime Geschichte“ - Donna Tartt
„Der Schatten des Windes“ - Carlos Ruiz Zafon
„S.- Das Schiff des Theseus“  - J.J. Abrams



Es kommt vor, dass sich Kunden im Laden am mich wenden, um mich nach einem richtig guten Buch zu fragen. Manche geben mir vor, was ein wirklich gutes Buch für sie sei; was es haben müsste (Spannung, Witz, Liebe, wenig Seiten) und was nicht (Mord, Traurigkeit, viele Seiten). Andere lassen mir freien Lauf. Sie wollen schauen, ob ich ihnen eine völlig neue Welt voller guter Bücher zeigen könne, die ihnen zuvor unbekannt war.
Streife ich daheim durch mein Bücherregal, entdecke ich gute Bücher, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ich wertschätze die großartige Sprache des einen Romans und denke, in der nächsten Sekunde, an die liebevoll gezeichneten Charaktere des Buches gleich daneben zurück.
Das Buch der Spiegel vereint eine Vielzahl von Attributen, die ich einem guten Buch zuschreibe. Einmal angelesen, kann ich versprechen, dass jeder es in einem Rutsch durchlesen möchte. Es zieht den Leser hinein; doch wohin eigentlich?


Wir lernen Peter Katz kennen, der als Agent für einen renommierten Verlag arbeitet. Unter all den ihm eingesandten Manuskripten sucht er stets nach dem einen Kleinod, der als Bestseller des Jahres gefeiert werden könnte. Und siehe da: eine E-Mail erreicht ihn samt dem Anfang einer Geschichte, die so einiges in Bewegung setzen wird. Es ist die Geschichte von Richard Flynn, ein gescheiterter Schriftsteller, der über Geschehnisse schreibt, die knapp dreißig Jahre zurückliegen. Damals wurde ein wichtiger Psychologieprofessor seiner Uni ermordet. Dieser Fall blieb weitestgehend ungelöst, doch der Anfang seines Manuskripts offenbart gleich mehrere Verdächtige und Richards Absicht, endlich eine Aussage zu machen.
Leider endet das Manuskript abrupt und es ist zu spät für Peter,  Richard kennen zu lernen und ihn um den Rest des Manuskriptes zu bitten. Er ist verstorben und scheint sein Geheimnis mit ins Grab genommen zu haben.
Peter beauftragt John Keller, einen Reporter, mehr Licht ins Dunkel zu bringen um die Geschichte doch noch rekonstruieren zu können.  Durch Johns Nachforschungen treffen wir auf die unterschiedlichsten Zeitzeugen; einzelne Erinnerungsfäden kommen zum Vorschein, die sich allesamt nicht zusammenweben lassen wollen.
Im 3. Teil, nachdem Peter Katz (Teil 1) und John Keller (Teil 2) als Erzähler dienten, tritt nun Roy Freeman an ihre Stelle. Roy ist ein ehemaliger Cop, der sich an dem Mordfall vor dreißig Jahren die Zähne ausbiss. Die neugewonnenen Informationen, die Katz und Kellers Recherchen hergaben, lassen ihn nicht los. Er versucht  den Rest des Manuskripts ausfindig zu machen um das rätselhafte Puzzle endlich zusammensetzen zu können.

Das Buch der Spiegel ist als Roman klassifiziert, enthält aber ebenso wichtige Fingerabdrücke der Kriminalliteratur, was den Roman unglaublich spannend und packend macht. Ich muss gestehen, dass das Manuskript, welches der Leser gleich zu Beginn des Buches lesen darf, wahrscheinlich den interessantesten Teil des Romans darstellt. Doch ist man einmal in diesem Sog, kann man sich dem nicht mehr entziehen.
Die drei Teile -und einhergehend ihre drei unterschiedlichen Erzählperspektiven- sorgen für Abwechslung und eine positive Verwirrung beim Leser. Sobald man denkt, auf der richtigen Fährte zu sein, kommt eine völlig neue Information daher, die ein ganz neues Fenster öffnet.
Die Schreibstile unterscheiden sich leider nur minimal und auch die Charakterzüge der Erzähler bleiben recht  oberflächlich. Sie wurden eher nur grob skizziert. Ich hätte mir gewünscht, dass das Buch etwas länger wäre. Chirovici hätte die persönlichen Geschichten der Erzähler und den Einfluss des Falls auf ihr Privatleben noch detaillierter ausarbeiten können. Dennoch möchte ich dieses Buch empfehlen.
Ich schrieb anfangs von Eigenschaften, die ein gutes Buch ausmachen können. An diesem Roman schätze ich die verschiedenen Ebenen der Erzählung, die unterschiedlichen Perspektiven und die immer wieder neu aufkommenden Ideen und Motive.
Mir gefällt das Spiel, das mit dem Leser getrieben wird. Es ist voller Ironie, schaut mal:              
Ein Psychologe, der dabei war, eine wichtige Studie über das beeinflussbare Erinnerungsvermögen seiner Probanden zu schreiben wird ermordet. Wie versuchen wir Leser mit Hilfe der Erzähler Licht ins Dunkle zu bringen? Wir lesen die Erinnerungen von Zeitzeugen! Wem glauben wir und wem nicht? Wer mag mit Absicht lügen und wer glaubt seine Erinnerungen seien wahr?

Das Buch der Spiegel ist ein toller Unterhaltungsroman, der so schnell erzählt ist, dass er dem Leser ein bis drei Tage nicht von der Seite weichen wird. Solche Romane sind goldwert und ich liebe sie. Literatur darf nicht nur sondern soll auch unterhalten. Sie darf den Leser gern für einige Zeit aus dem Alltag reißen- das kann dieser Roman sehr gut. Viel Freude dabei!

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