Dienstag, 21. März 2017

Solange er erzählt, bleibt alles in Bewegung

 Vom Ende einer Geschichte



von Julian Barnes
erschienen: 2011
btb-Verlag, 18,99,-€ (gebundene Ausgabe)

Für Fans von:
 „Flauberts Papagei“ - Julian Barnes
Als wir Waisen waren“ - Kazuo Ishiguro
Chaos“  - David Mitchell
 
Im Jahr 2011 erschien eines meiner liebsten Bücher und wurde zugleich mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet- einem Preis, dem ich sehr vertraue, da mich bislang keiner seiner Preisträger enttäuscht hat.
In diesem Monat kommt nun endlich die Verfilmung des Romans in unsere Kinos.
Grund genug, finde ich, den Roman erneut zu lesen und wirklich jeden ans Herz zu legen.

Vom Ende einer Geschichte ist für mich ein kleines Kunstwerk. Es zeigt sehr gekonnt, wie gut Literatur das Leben widerspiegeln kann und auch was ein Autor, mit viel Fingerspitzengefühl, in der Lage ist zu erschaffen. Es handelt sich um eine fiktive Autobiografie von Tony Webster, einem Rentner, der vielleicht aus Resignation heraus, die Geheimnisse der Vergangenheit aufklären möchte.

 Im ersten Teil des Romans erzählt Tony von seiner Jugend in den 60’er Jahren. Von seiner Freundschaft zu drei Mitschülern, einer kleinen Clique, die sich für intelligenter und besonderer hielt als die anderen, wobei einer wirklich herausstach: Adrian. Er war der klügste der Freunde und zeichnete sich durch Schlagfertigkeit und seiner stetigen Suche nach philosophischen Antworten auf das Leben heraus.

Auch die Liebe war ein wichtiges Thema der Heranwachsenden. An der Universität lernte Tony seine Freundin Veronika kennen. Die Beziehung schien jedoch für beide nicht das perfekt zu sein. Sie scheiterte (nach einer gefühlten Ewigkeit des Lesers) und Veronika kam schließlich mit Adrian zusammen. Tony brach daraufhin den Kontakt zu den beiden ab und berichtet in diesem Buch (nur 3 Seiten weiter) von Adrians Suizid, den er kaum mit seinem Brief und seiner Absage an die Freundschaft in Verbindung bringen kann.


Alles, was nach seiner Schul- und Universitätszeit passiert, erzählt Tony in einer Art Schaukelstuhlmanier: Ehe, Kind, Scheidung, Ruhestand. Alles scheint dahingeplätschert zu sein, so als hätte er in seinem gesamten Erwachsenenalter nicht mehr gelebt. Diese friedliche Ereignislosigkeit wird durch einen Brief einer Anwaltskanzlei gestört. Ihm wird eine Erbschaft versprochen: das Tagebuch seines verstorbenen Freundes, Adrian. Plötzlich ist Tony wie ausgewechselt. Er hat Feuer gefangen und möchte nun allen Rätseln der Vergangenheit auf den Grund gehen. Dies gestaltet sich jedoch als schwieriges Unterfangen, was nicht nur an der mangelnden Hilfe von Veronika liegt sondern vielmehr an Tonys Charakter, seinem Urteilsvermögen und Gedächtnis.


Vom Ende einer Geschichte zeigt, dass uns das Gedächtnis Streiche spielen kann.

«...am Ende ist das, was man in Erinnerung behält, nicht immer dasselbe, was man beobachtet.»

Wir glauben das, was wir glauben wollen; als würde uns unser Kopf vor schmerzenden Wahrheiten und Erinnerungen beschützen wollen. Am Ende stellt sich die Frage, was wir als Leser glauben können und vor allem ob die Wahrheit für Tony wichtig ist. Ich glaube nicht, dass es die Wahrheit ist, die ihm am Ende doch ein wenig verändert hat. Es war viel mehr die Suche danach, die ihn immer wieder unsicher werden ließ. Ein stetiges Hinterfragen scheint ein guter Rat fürs Leben zu sein; ein Training, das den Kopf wach und den Geist rein halten mag.

«Wenn man jung ist – als ich jung war – will man, dass die Empfindungen so sind wie die, von denen man in Büchern liest. Man will, dass sie das ganze Leben umkrempeln, dass sie eine neue Realität schaffen und bestimmen. Später will man, glaube ich, dass sie etwas Sanfteres tun, etwas Praktischeres, sie sollen das Leben unterstützen, so wie es ist und geworden ist. Sie sollen dir sagen, dass alles in Ordnung ist.»
In diesem Roman werden kleinste Fäden miteinander verknüpft. Das geschieht natürlich auch in Krimis, hier jedoch wirkt es viel authentischer. „Genau so spielt das Leben manchmal“, ist das Gefühl, das man während des Lesens hat und dabei ist es so gar nicht langweilig. Ganz im Gegenteil: Man möchte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, da immer wieder neue Puzzleteile aufgedeckt werden und man das Bild nun endlich zusammensetzen will.


Auch die philosophische Frage nach Schicksal und Determination kann dieser Roman auf mehreren Ebenen beantworten. Wie ihr seht, ist dies ein kleiner aber reicher Roman. Er wird euch dazu bringen, den Stift zu nehmen und Zeilen in euer Notizbuch zu kopieren, was nicht nur an den tollen Gedanken sondern auch an der schwingenden Sprache von Julian Barnes liegt.

Ich habe den Roman auf Deutsch und in der englischen Originalsprache gelesen und würde euch die englische Ausgabe ans Herz legen. Bereits mit Blick auf den deutschen Titel, Vom Ende einer Geschichte, zweifle ich ein wenig daran, dass der Übersetzer die eigentliche Bedeutung des Romans und des Originaltitels, The Sense of an Ending, richtig erfasst hat.


Viele Leser waren vom Ende des Romans enttäuscht, so ging es mir überhaupt nicht. Ich habe das Gefühl, dass das, was ans Tageslicht kommt, glaubhaft erzählt, authentisch sowie überraschend ist. Ebenso lässt der Roman einiges offen, was ich großartig finde, da es Raum für eigene Interpretation und wilde Gedankengänge schafft.

Dieses Buch wird euch begeistern, wenn ihr gerne um 8 Ecken denkt und lest sowie fordernde zugleich aber auch amüsante Romane wert schätzt. Natürlich muss es sich aber auch mit euch verbinden- ihr müsst zusammen passen wie ein altes Ehepaar.


Ich freue mich sehr auf den Kinofilm, der mit großartigen Schauspielern wie Jim Broadbent und Michelle Dockery besetzt ist.

Neben meiner absoluten Lesempfehlung, möchte ich euch auch den Film ans Herz legen. Vielleicht bin ich etwas vorschnell aber ich wette, das Buch wurde brilliant umgesetzt! Ich werde berichten...


1 Kommentar:

  1. Mir gefallen Deine Bilder von den Büchern sehr und Dein Bericht ist sehr interessant. Weiter so!

    ♥liche Grüße
    Lenchen

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